Radical Romantics
PIAS / Rabid
Ich bin zu spät. Schon am Freitag ist “Radical Romantics” erschienen und die Kritiken überschlagen sich. In den deutschen wie auch den englischsprachigen Medien wird das Album Lied für Lied seziert, werden detailgenau Textzeilen interpretiert, ein „Häuslichkeitsalbum“ (Zeit) ausgemacht, „Love in all its freaky, complicated forms“ (NPR) als Thema benannt.
Die Musik kommt in den Besprechungen meist nur am Rande vor, wird als „verschrobener Synthie-Pop“ (Musikexpress) abgetan. Dabei ist es gerade der Sound, insbesondere die Stimme von Karin Dreijer, wodurch Fever Ray und auch das Dreijer-Geschwister-Projekt The Knife schon seit den 00er Jahren so einzigartig sind. Die Vocals sind von jeher keinem Geschlecht zuzuordnen, klingen mal gequält, sehnsüchtig, wütend oder auch leidenschaftlich erotisch und kreieren dabei diesen einmaligen Klang, der mal von treibenden Beats, mal von Synthies oder jammernden Gitarren begleitet wird.
“Radical Romantics” ist ruhiger als der Vorgänger “Plunge”, aber das ist nur folgerichtig, da es ja im weitesten Sinne Liebeslieder sind. Die Texte sind wunderbar, man kann sich in ihnen verlieren, es ist aber viel schöner, eigene Assoziationen zu haben als Dreijers Intentionen abzuklopfen.
Nebenbei hören wäre Verschwendung und könnte anstrengend sein. Nehmt euch also die knapp 45 Minuten und taucht radikal romantisch ein in Fever Rays bizarren Kosmos. Sollte die Zeit knapp sein, hört in „North“ hinein, das von Trent Reznor und Atticus Ross produziert wurde, und in den Opener „What they call us“.