9.Spieltag (H) – Erzgebirge Aue (inkl. Bierbecher etc.)

FC St.Pauli – Erzgebirge Aue 2:3 (1:0)
Tore: 1:0 Marius Ebbers (20.), 1:1 Ronny König (60.), 1:2 Tobias Kempe (69.), 1:3 Mike Könnecke, 2:3 Mahir Saglik (90. +1)
Zuschauer: 23.998 (ca. 1.500 Gästefans)

Scheiße passiert, nichts dramatisches.
Ich persönlich halte ja bekanntermaßen den sofortigen Wiederaufstieg durchaus für verzichtbar, da sind Niederlagen eine Grundvoraussetzung für das Erreichen dieses “Zieles” Klassenerhalt. Und dann verliere ich lieber gegen Teams mit Fans, die mir egal bis leicht sympathisch sind, damit sind sie nämlich um ca. 5 Ligen über dem restlichen Zeugs was in der Liga so rumläuft. Klar ist aber auch: Gerne verliert man nicht, gegen niemanden, schon gar nicht zuhause.

Zum Spiel: Die Führung kam aus dem Nichts, die Pausenführung war absolut glücklich bis unverdient und der Mann mit viel Fußballsachverstand neben mir sagte zur Pause: “Setz’ mal nen Zehner per Livewette auf ein 1:2, das wird heute nichts mehr!
Gut, das Geld wäre weg gewesen, aber mit genug Einsatz auf nen Auswärtssieg zu dem Zeitpunkt hätte man Griechenland schnell sanieren können, insbesondere in der Kombi mit nem Auswärtssieg des hsv, was mein Sitznachbar auch noch ansprach.
(Ja, Livewetten sind i.d.R. nicht mit Normalwetten kombinierbar, ich weiß.)

Und nach der Halbzeit konnte man das Elend dann wirklich langsam kommen sehen. Aue spielte weiterhin gut und mutig, und auch wenn Bruns vor dem Ausgleich klar gefoult wird, wären die Tore wahrscheinlich auch so später noch gefallen.
Ebbers hingegen war nach dem 1:2 plötzlich völlig frei durch und wurde dann unnötig panisch, wahrscheinlich dachte er, er würde verfolgt… und so versemmelte er eine Chance, die er an normalen Tagen blind reinmacht. Und als Bolls klasse Kopfball dann von Männel noch von der Linie gekratzt wurde, statt den Ausgleich zu markieren, war dann wohl klar das heute nicht mehr gehen würde.
Immerhin hat Saglik mal getroffen, vielleicht hilft es ihm ja.

Gute Besserung in jedem Fall an Lasse Sobiech, lt. Vereins-Homepage gibt es erst Montag eine Diagnose, vermutlich weil die Schwellung im Sprunggelenk noch nichts näheres zulässt. Übrigens ist wohl nicht die Konfrontation mit dem Pfosten das Problem gewesen, sondern ein Umknicken dabei… scheiße, Gute Besserung! Lesenswert übrigens ein Interview mit ihm auf der BVB-Fansite “Gib Mich Die Kirsche”. (Teil 1, Teil 2)

Links:
Bericht und viele Fotos beim Kleinen Tod
Fotos von Stefan Groenveld
Bericht Breitseite
Bericht Nord-Support

Und sonst so…
Ansonsten war das Spiel als solches und seine Begleiterscheinungen eher unspektakulär, im Nachhinein gab es dann aber zwei “Aufreger”, zu denen ich eingangs zum besseren Verständnis jeweils den entsprechenden Thread im St.Pauli-Forum verlinke, zumal das zweite Thema wohl auch nur dort wirklich ein Thema ist.

1.) Bierbecherwurf
Der Vorfall der letzten Saison gegen Schalke dürfte wohl allen noch in Erinnerung sein, die Folge war ein “Heimwärtsspiel” gegen Ingolstadt an der Lübecker Lohmühle.
Nun gab es am Freitag, wohl unbemerkt von TV- und Fotokameras (dass es sowas noch gibt!) nach Abpfiff einen erneuten Becherwurf. Dem bisherigen Vernehmen nach ein leerer Plastikbecher aus der Süd, der in Richtung Schiedsrichter flog und von diesem mit der Hand abgewehrt wurde. Diesen Wurf will er in den Spielberichtsbogen aufnehmen, was eine Verhandlung beim DFB nach sich ziehen dürfte.
Ich verweise mal kurz auf meine “Bierbecherwurf – One week after“-Gedanken, die in vielen Punkten natürlich auch hier passen, trotzdem noch das Wichtigste zum aktuellen Fall:
Die teilweise (u.a. auch heute im Abendblatt angedeutete) geäußerte Logik “Wiederholungstäter = Noch härtere Strafe = mindestens Geisterspiel” ist natürlich Blödsinn, denn die beiden Fälle sind (aus Sicht des DFB) nicht miteinander vergleichbar. Die DFB-Gerichtsbarkeit hat mehr als einmal klar gemacht, dass die 90 Minuten (plus Nachspielzeit) heilig sind und durch nichts und niemanden gestört werden dürfen. Alles was nach Abpfiff passiert, fällt deutlich weniger ins Gewicht. Der Verein wird ganz sicher eine Geldstrafe bekommen, damit dürfte das aber auch durch sein. Es wurde niemand verletzt, das Spiel wurde ordnungsgemäß beendet. Macht den Wurf natürlich nicht besser, ist aber beim DFB-Urteil absolut wichtig, egal ob man das gut findet oder nicht.

Spannender ist hingegen aus meiner Sicht der Umgang mit “dem Täter”.
Ja, Bierbecherwerfen ist scheiße, dämlich, unnötig und gehört bestraft. Diesen Satz vorweg beim Folgenden bitte immer im Hinterkopf haben.
Gut auch, dass er mit Hilfe der anderen Zuschauer gleich ermittelt werden konnte, auch wenn dies ein Hamburger Boulevardblatt zunächst anders darstellte, weil es reisserischer klang.
Aber darf ein Fußballverein, der im Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag umsetzt und sich der doch in vielem sehr willkürlichen DFB-Gerichtsbarkeit unterwirft, die zu erwartende Strafe wirklich 1:1 an den ermittelten und meinetwegen sogar geständigen Täter weiterleiten, wie es jetzt viele fordern? Und ich meine damit nicht das juristische, sondern das “moralische” Dürfen.

Soll ausgerechnet der Verein, der sich wie kein anderer in diesem Lande öffentlich über seine Fans verkauft vermarktet und nur durch eben diese überhaupt so viel Geld einnimmt, mal eben so eine Existenz eines Fans zerschmettern? Wenn derjenige diesen leeren Plastikbecher in der Öffentlichkeit (z.B. bei der anschließenden Demo) geworfen hätte, wäre dies ziemlich sicher folgenlos geblieben… sowohl in der Situation selbst, als auch juristisch. (Ja, es gab Verhaftungen wegen Flaschenwürfen, dies ist aber auch eine andere Dimension was die Gefährdung anbelangt.)
Nun werden es in diesem Fall vielleicht “nur” 5.000,-€ oder oder 10.000,-€ oder sowas sein und nicht gleich wieder eine halbe Million Euro wie beim letzten Wurf, trotzdem finde ich diese Frage mal ganz allgemein wichtig zu klären.
Wie gesagt, ich will keine juristische Antwort, sondern eine die zu meinem FC St.Pauli und der besonderen Situation passt.
Und da kann es aus meiner Sicht eben nicht sein, dass dieser Werfer mit einer x-fach höheren und “mal eben so” durchgereichten Strafe vom FC St.Pauli ruiniert wird (je nach Lebenssituation und Höhe der Strafe), während deutsche Gerichte Leute zu 100,-€ pro Kopf für nächtliches Auflauern und Zusammenschlagen verurteilen. Beide Fälle haben nichts miteinander zu tun, ich weiß, aber man beachte doch bitte mal die Verhältnismäßigkeit. Strafe muss sein, aber bitte Einzelfallbezogen.

Und macht sich der Verein nicht auch mitschuldig, solange er Initiativen gegen Becherwürfe aus der Fanszene immer nur wohlwollend zur Kenntnis genommen aber nie wirklich selbst unterstützt hat, solange er das vorhandene Alkoholproblem dieser Fanszene negiert, solange bei jeder sich bietenden dämlichen Gelegenheit Astra wieder beworben wird, wie jüngst zum 100.Geburtstag, als so eine Buddel mit in die Zeitkapsel gepackt wurde? Komasaufen ist kein Problem, solange nicht mit dem Becher geworfen wird?
Klingt in etwa so, als würde der ADAC sagen: “Zu schnell fahren ist kein Thema, darfst nur keinen Unfall bauen!”

Ich will ja auch nicht, dass der Typ mit einem “Dududu…” davon kommt, aber wer jetzt, ohne Kenntnis des Strafmaß bereits eine 1:1 Durchreichung fordert, sollte das aus meiner Sicht nochmal gründlich überdenken.

Sinnvoller wäre es da, bei derartigen Vergehen mal ganz allgemein und für die Zukunft die Gerichtsbarkeit des DFB zu hinterfragen und zu klären, ob diese nicht künftig die Strafen an “die Täter” richtet und nicht mehr an die Vereine, dann müsste auch dort mal der Einzelfall geprüft werden, inklusive der finanziellen Situation des Täters.
Dies mag juristisch allerdings schwierig sein, keine Ahnung.

Einer der besten Beiträge in dem Thread kam jedenfalls von Grande Jano:
Darf ich auch den Becherwerfer und diese polemische Hetze hier scheisse finden […]?

2.) Thor Steinar wegklatschen
Auslöser war eine zur 2.Halbzeit entrollte Tapete, auf der obige Worte standen. Auslöser für diese Tapete war/ist der neue Laden dieser “Modemarke” in Glinde und der gestern stattfindende Aktionstag dagegen.
Was dann im Forum diskutiert wurde, gibt es so wohl auch nur beim FC St.Pauli. Find ich auf der einen Seite spannend und gut, dass wir auch uns selbst ständig hinterfragen, den hier verlinkten Ansatz find ich aber ähnlich sinnlos wie hinter dem 90er Spaß-Slogan “Gyros, Tzatziki und dazu Salat!” Rassismus zu vermuten, wie es vor einigen Jahren mal kurz andiskutiert wurde.
Wenn dann im Thread Programme wie Exit genannt werden, als sinnvolle Alternative zur bloßen Gewalt gegen Nazis, so mag das grundsätzlich stimmen und niemand wird dieses Programm schlecht finden, im Gegenteil.

Auf so einer Tapete aber muss kurz und prägnant klar gemacht werden, worum es geht, und mit den begleitenden Tapeten drum rum war klar, dass es hier um erwähnten Aktionstag geht und man dafür “mobil machte”. Ich will jetzt gar nicht mit der “Du willst mit denen doch nicht etwa nen Mate-Tee trinken?“-Keule kommen, aber eine “Bitte geht nächste Woche mal im Thor Steinar Laden in Glinde vorbei und verteilt da Flyer von Exit, Danke Euch Allen!“-Tapete kann es ja wohl auch nicht sein.

Und natürlich war das ja eh kein Aufruf zur Gewalt, sondern wie von Zwille interpretiert nur der Wunsch, durch möglichst lautes und langanhaltendes Beifall klatschen die Ladeninhaber zum Aufgeben wegen Lärmbelästigung zu zwingen.
(Sorry, aber ich kann grad nicht anders, als mir vorzustellen wie dann da der ein oder andere aus dem Laden kommt und ein charmantes “Hier klatscht es gleich, aber keinen Beifall!” von sich gibt. Hoffentlich ist dann wiederum doch genug Tee vorhanden.)

Schreiber vertreiben
Ich gehe mal davon aus, die meisten werden es inzwischen mitbekommen haben, aber insbesondere Leser dieses Blogs außerhalb Hamburgs wissen bei den Stichworten “Schreiber, Obdachlose, Zaun” vielleicht ja doch nicht, was gemeint ist, daher hier der Artikel vom Hinz & Kunzt als Grundlage.
Der Artikel spricht für sich, da muss ich wohl nicht mal mehr meine Meinung zu äußern. Dementsprechend fand dann nach dem Spiel eine Demo statt, zu der sich etwas mehr als 1.000 Leute anschlossen. Verlief ziemlich ruhig, zu den 118.000,-€ die Herr Schreiber eh schon verballert hat kommen nun auch noch die Kosten für knapp 1.000 Beamte. Ich hab hier mal absichtlich einen eher neutralen Bericht verlinkt. “Schreiber vertreiben!” dürfte wohl als Schriftzug noch einige Wochen Bestand haben, wenn da nichts passiert. Und auch wenn es sich um eine Bezirksangelegenheit handelt, wünscht man sich natürlich ein Machtwort von Olaf Scholz.
Aufs Titelblatt der mopo schafft man es mit solchen Themen ja recht fix, da es aber heute auch auf der Titelseite des Abendblatt thematisiert wird, besteht ja vielleicht tatsächlich noch Hoffnung auf eine politische Lösung.
Wir warten!
P.S. Weiterer Link zum Thema

hsv
Ach schade… viel mehr als über die eigene Niederlage war ich über den Auswärtssieg des hsv betrübt. Nicht, weil die mir wichtiger sind als der eigene Klub, bevor das jemand falsch versteht, sondern weil ich wie gesagt an unserer Niederlage auch einiges Gute finden konnte und den Aufstieg nicht zwingend haben muss.
Aber die letzten Wochen mit der IpO (“Initiative pro Oenning) und den diversen (zugegebenermaßen meist schlechten bis flachen) Witzen haben doch verdammt viel Spaß gemacht und ich hätte das gerne noch eine weitere Woche ausgehalten.
Sollte nicht sein, die Verhältnisse in der Stadt sind seit Freitag Abend (sportlich) einigermaßen wieder zurechtgerückt… und trotzdem werde ich noch lange schmunzeln, wenn ich in welchem Zusammenhang auch immer über einen Umlaut rede. // Frodo

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